Labordiagnostik Referenzwerte:
Warum „normal“ nicht gleich „optimal“ ist.
Am Bsp. Ferritin
Wenn du schon einmal deine Blutwerte hast überprüfen lassen, stand dort vielleicht:
Ferritin: 30 ng/ml = im Referenzbereich.
Dann denkst du vermutlich: „Alles gut, das ist ja normal.“
Doch „normal“ heißt nicht automatisch „optimal“.
Ein Wert kann laut Labor unauffällig sein und trotzdem kann im Körper ein deutlicher Mangel bestehen.
Was ist Ferritin und warum ist es so wichtig?
Ferritin ist das Eisenspeicher-Protein des Körpers. Man kann es sich vorstellen wie eine kleine Vorratskammer, in der Eisen sicher gelagert und bei Bedarf wieder freigesetzt wird.
Eisen erfüllt im Organismus zahlreiche zentrale Aufgaben. Es ist notwendig, damit die Zellen Energie produzieren können, denn ohne Eisen läuft der Stoffwechsel buchstäblich auf Sparflamme.
Es wird für die Bildung von Hämoglobin im Blut benötigt, also jenem Stoff, der Sauerstoff zu den Organen transportiert. Eisen ist außerdem wichtig für die Funktion der Schilddrüse, die Stabilität des Immunsystems und die Gesundheit von Haut, Haaren und Nägeln. Auch das Nervensystem und die Psyche profitieren: Eisen ist an der Bildung von Botenstoffen wie Dopamin beteiligt, die Einfluss auf Konzentration, Motivation und Stimmung haben.
In der Frauenheilkunde spielt Ferritin eine besonders wichtige Rolle. Ein gut gefüllter Eisenspeicher ist entscheidend für einen stabilen Zyklus und eine gesunde Hormonbalance. Eisen wird für die Bildung von Östrogen, Progesteron und weiteren Hormonen benötigt, die den weiblichen Zyklus regulieren. Ist der Ferritinwert zu niedrig, kann sich das durch unregelmäßige Blutungen, verkürzte Zyklen, stärkere PMS-Beschwerden oder eine verminderte Fruchtbarkeit bemerkbar machen.
Also bei Kinderwunsch und in der Schwangerschaft ist Ferritin von großer Bedeutung. Bereits vor einer Empfängnis sollte der Eisenspeicher ausreichend gefüllt sein, da der Bedarf während der Schwangerschaft stark ansteigt. Ein stabiler Ferritinwert unterstützt nicht nur die Eizellreifung und den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut, sondern auch eine gesunde Entwicklung des Embryos in den ersten Wochen, in denen das Kind vollständig auf die Eisenvorräte der Mutter angewiesen ist.
Wenn die Ferritin-Speicher erschöpft sind, fehlt dem Körper diese wichtige Grundlage, für Energie, Hormonproduktion und Zellfunktion gleichermaßen. Dann können selbst normale Alltagsbelastungen als anstrengend empfunden werden, die Stimmung schwankt leichter und viele Stoffwechselprozesse verlangsamen sich. Gerade Frauen merken das oft zuerst:
durch Müdigkeit, Haarausfall, unregelmäßige Zyklen oder eine unerklärliche Erschöpfung, obwohl der Laborwert offiziell noch „im Normbereich“ liegt.
Typische Symptome bei Ferritinmangel
Ein niedriger Ferritinwert macht sich oft schleichend bemerkbar.
Häufig berichten Betroffene, dass sie sich „nicht krank, aber einfach nicht richtig fit“ fühlen.
Typische Anzeichen sind:
• Anhaltende Müdigkeit, Erschöpfung oder Leistungsabfall
• Konzentrationsschwierigkeiten, Gereiztheit oder Stimmungsschwankungen
• Blasse Haut, brüchige Nägel und trockene Haut
• Haarausfall oder ausbleibendes Haarwachstum
• Kurzatmigkeit oder Herzklopfen bei körperlicher Belastung
• Häufige Infekte und verlangsamte Regeneration
• Unruhige Beine oder Schlafprobleme (Restless-Legs-Syndrom)
Diese Symptome entstehen oft lange bevor eine echte Blutarmut (Anämie) besteht. Deshalb ist Ferritin ein so wichtiger Frühmarker, er zeigt, wie gut die Eisenreserven gefüllt sind, noch bevor das Blutbild auffällig wird.
Warum Referenzwerte nicht gleich optimale Werte sind
Die sogenannten Referenzwerte in Laborberichten geben an, in welchem Bereich 95 Prozent der untersuchten Bevölkerung liegen. Für Ferritin werden meist Werte zwischen 30 und 300 ng/ml angegeben (Teilweise ist die untere Grenze sogar noch niedriger angegeben mit 10 oder 20 ng/ml).
Das bedeutet allerdings nur, dass die meisten Menschen in diesem Bereich nicht schwer krank waren, als die Referenzen festgelegt wurden. Es bedeutet nicht, dass sie alle frei von Symptomen oder optimal mit Eisen versorgt waren.
Mit anderen Worten: Ein Laborwert im „Normbereich“ schließt einen funktionellen Mangel nicht aus.
Referenzbereiche sind also statistische Werte, sie sagen nichts darüber aus, wo sich der Körper wirklich wohlfühlt oder am besten funktioniert.
Gerade beim Ferritin ist dieser Unterschied besonders deutlich.
Viele Menschen, insbesondere Frauen im gebärfähigen Alter, spüren bereits unter 70 ng/ml Müdigkeit, Haarausfall oder Konzentrationsprobleme, obwohl das Labor den Wert als normal einstuft.
Zahlreiche Studien und Leitlinien zeigen, dass bestimmte Körperfunktionen erst ab höheren Werten stabil laufen:
• Bei Haarausfall werden häufig Ferritinwerte über 70 ng/ml empfohlen, um die Haarfollikel ausreichend zu versorgen.
• Beim Restless-Legs-Syndrom (RLS) empfehlen internationale Leitlinien eine Anhebung des Ferritins über 75 bis 100 ng/ml, um Symptome zu verbessern.
• Auch für Leistungsfähigkeit, Energie und Immunsystem berichten viele Patientinnen und Patienten über ein deutlich besseres Befinden, wenn Ferritin über 80 oder 100 ng/ml liegt.
Deshalb sprechen manche Ärztinnen, Heilpraktiker und Therapeutinnen von einem „optimalen Bereich“ zwischen etwa 100 und 200 ng/ml, während der rein statistische Referenzwert bereits bei 10 ng/ml beginnt.
Warum Ferritin bei Entzündungen „falsch hoch“ sein kann
Ferritin ist nicht nur ein Eisenspeicher, sondern auch ein sogenanntes Akute-Phase-Protein.
Das bedeutet:
Bei Entzündungen, Infekten oder chronischen Erkrankungen wird Ferritin vom Körper künstlich erhöht, auch wenn die Eisenspeicher in Wahrheit leer sind.
Das ist eine Schutzreaktion.
Der Körper versucht, Eisen aus dem Blut zurückzuhalten, weil Krankheitserreger Eisen für ihr Wachstum benötigen.
Er lagert das Eisen in die Speicherzellen um und produziert zusätzlich mehr Ferritin. Dadurch sieht der Laborwert scheinbar normal oder sogar erhöht aus, tatsächlich steht aber zu wenig Eisen für die Zellfunktion zur Verfügung.
Diesen Zustand nennt man funktionellen Eisenmangel. Er tritt häufig auf bei chronischen Entzündungen, Autoimmunerkrankungen, Infekten, Darmerkrankungen oder anhaltendem Stress.
Um das zu erkennen, sollte Ferritin immer zusammen mit anderen Parametern beurteilt werden:
• CRP oder BSG als Entzündungsmarker
• Transferrin-Sättigung (TSAT), um zu sehen, wie viel Eisen tatsächlich transportiert wird
• gegebenenfalls löslicher Transferrinrezeptor oder Hepcidin, wenn die Situation unklar ist
Nur so lässt sich unterscheiden, ob Ferritin ehrlich den Eisenspeicher widerspiegelt oder durch Entzündung verfälscht ist.
Wie Ferritin bestimmt wird
Die Messung erfolgt über eine einfache Blutuntersuchung. Am besten wird das Blut morgens abgenommen, und nicht während einer akuten Erkrankung, da Entzündungen den Wert verfälschen können.
Wer Eisenpräparate einnimmt, sollte die Kontrolle erst nach 8 bis 12 Wochen durchführen lassen, da der Ferritinwert träge reagiert und sich langsam anpasst.
Faktoren, die den Ferritinwert beeinflussen
Ein niedriger Ferritinwert kann viele Ursachen haben:
• Starke oder lange Menstruation: Regelmäßiger Blutverlust entleert die Eisenspeicher.
• Schwangerschaft und Stillzeit: Der Eisenbedarf ist deutlich erhöht.
• Vegetarische oder vegane Ernährung: Pflanzliches Eisen wird schlechter aufgenommen.
• Magen- und Darmerkrankungen: Störungen der Aufnahme (z. B. bei Zöliakie, Reizdarm oder chronisch entzündlichen Darmerkrankungen).
• Ausdauersport: Durch wiederholte Belastung und Mikroschäden geht Eisen verloren.
• Chronische Entzündungen oder Stress: Sie verändern den Eisenstoffwechsel und erhöhen scheinbar Ferritin.
Was die Laborwerte wirklich aussagen
Die meisten Labore geben folgende Referenzbereiche an:
• Frauen: 20–200 ng/ml
• Männer: 30–300 ng/ml
Diese Bereiche beschreiben, was „noch normal“ ist, aber nicht, was „optimal“ ist.
Viele Menschen fühlen sich erst dann wirklich wohl, wenn ihr Ferritinwert im mittleren bis oberen Bereich liegt – häufig zwischen 70 und 150 ng/ml.
Leitlinien zum Restless-Legs-Syndrom und zu bestimmten Formen von Haarausfall stützen diese Beobachtung. Sie empfehlen gezielt, Ferritin auf Werte über 75–100 ng/ml anzuheben.
Entscheidend ist dabei immer der individuelle Zusammenhang: Beschwerden, Begleiterkrankungen, Ernährung und Lebensstil sind ebenso wichtig wie der Laborwert selbst.
Studienlage
• Restless-Legs-Syndrom (RLS):
Die amerikanische Schlafgesellschaft (AASM) empfiehlt, Ferritin auf über 75–100 ng/ml anzuheben, um Symptome zu lindern.
• Haarausfall:
Studien zeigen, dass Frauen mit Ferritin unter 40 ng/ml häufiger unter diffusem Haarausfall leiden. Andere Arbeiten bestätigen dies nicht vollständig, dennoch berichten viele Patientinnen von einer spürbaren Verbesserung bei höheren Werten.
• Allgemeines Wohlbefinden:
Auch ohne Blutarmut kann ein niedriger Ferritinwert Müdigkeit, Schwäche und Konzentrationsprobleme verursachen.
Fun Fact
Ein einziges Ferritin-Molekül kann bis zu 4.500 Eisenatome speichern – es ist also eine winzige, aber äußerst effiziente Vorratskammer für Eisen in jeder Zelle.
Fazit
Ein Ferritinwert im Referenzbereich bedeutet nicht automatisch, dass du optimal mit Eisen versorgt bist.
Referenzwerte sind statistische Durchschnittswerte, keine Gesundheitsgarantie.
Ferritin sollte immer im Gesamtbild beurteilt werden, zusammen mit Symptomen, Entzündungswerten und der Transferrin-Sättigung.
Eisenpräparate sollten nur nach ärztlicher/therapeutischer Rücksprache eingenommen werden, denn zu viel Eisen kann genauso schaden wie zu wenig.
Wenn du dich trotz „normaler“ Blutwerte müde, erschöpft oder kraftlos fühlst, kann sich ein genauer Blick auf dein Laborprofil lohnen, nicht nur, um Zahlen zu überprüfen, sondern um deine Gesundheit und Dein Wohlbefinden langfristig zu verbessern und dort gezielt zu unterstützen wo Werte aus der Balance geraten sind.
Über die Autorin
Alexandra Buchmann ist Heilpraktikerin und spezialisiert auf funktionelle Medizin und Osteopathie. In ihrer Praxis in Wentorf begleitet sie Menschen auf ihrem Weg zu mehr Gesundheit und Lebensqualität.
Kontakt aufnehmenInteressiert an einer persönlichen Beratung?
Erfahren Sie mehr über meine Leistungen und wie ich Sie auf Ihrem Weg zu mehr Gesundheit und Lebensqualität unterstützen kann.
