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Schilddrüse Teil 2 – Wenn die Schilddrüse aus dem Gleichgewicht gerät
Gesundheit17. Oktober 202510 Min. Lesezeit

Schilddrüse Teil 2 – Wenn die Schilddrüse aus dem Gleichgewicht gerät

Viele Menschen spüren, dass „etwas nicht stimmt“: Müdigkeit, Konzentrationsprobleme, Stimmungsschwankungen, Gewichtszunahme oder Haarausfall.
Und doch heißt es nach dem Bluttest oft: „Alles im Normbereich.“
Wie kann das sein?

Die Schilddrüse ist ein feines Regulationsorgan und manchmal zeigen sich funktionelle Veränderungen lange bevor die Standardwerte auffällig sind.
In diesem Artikel schauen wir uns an, wie Schilddrüsendiagnostik funktioniert, was die klassischen Laborwerte bedeuten und wie man in der funktionellen Medizin noch genauer hinschauen kann.

Wie wird die Schilddrüse untersucht?

1. Ärztliche Untersuchung & Ultraschall

Zu Beginn steht immer das Gespräch und die körperliche Untersuchung.
Bei tastbaren Veränderungen oder Schluckbeschwerden folgt meist ein Ultraschall.
Hier können Größe, Struktur, Durchblutung und mögliche Knoten beurteilt werden.
Auch die Durchgängigkeit der Gefäße und Lagebeziehungen zu Luftröhre oder Stimmbandnerven sind dabei wichtig.

Der Ultraschall zeigt, ob das Gewebe gleichmäßig aussieht oder unregelmäßig ist – beides kann Hinweise auf Entzündung, Knotenbildung oder Autoimmunprozesse geben.

Die klassischen Laborwerte – und was sie zeigen

In der Standarddiagnostik werden in der Regel drei Werte bestimmt:

  • TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon)
    → zeigt, wie stark die Schilddrüse von der Hypophyse angeregt wird.

    • hohes TSH → Hinweis auf Unterfunktion
    • niedriges TSH → Hinweis auf Überfunktion
  • freies T4 (fT4)
    → Hormon, das die Schilddrüse produziert. Zeigt, wie viel Hormon aktuell im Blut vorhanden ist.

  • freies T3 (fT3)
    → die aktive Form des Schilddrüsenhormons. Entsteht durch Umwandlung von T4, v. a. in Leber, Darm und Muskulatur.

Wichtig:
TSH, fT4 und fT3 geben ein gutes Grundbild, zeigen aber nicht immer die ganze Funktion.
Viele Betroffene haben typische Symptome, obwohl diese Werte noch im Normbereich sind.

Warum Standardwerte nicht immer die ganze Geschichte erzählen

  • Die Referenzbereiche der Labore sind sehr breit und zeigen nur, was statistisch häufig vorkommt – nicht zwingend, was optimal ist.
  • Das T3/T4-Verhältnis oder die Umwandlungsfähigkeit werden oft nicht berücksichtigt.
  • Stress, Entzündungen oder Leber- und Darmbelastungen können die Hormonverarbeitung beeinflussen, ohne dass TSH auffällig ist.
  • Frühstadien von Autoimmunerkrankungen (z. B. Hashimoto) beginnen oft, bevor sich Laborwerte verändern.

Erweiterte Diagnostik in der funktionellen Medizin

Wenn klassische Werte unauffällig sind, die Symptome aber bleiben, kann ein tieferer Blick helfen.
Hier einige sinnvolle Erweiterungen, die in der funktionellen Medizin berücksichtigt werden:

Reverse T3 (rT3)

  • Ist eine inaktive Form des Schilddrüsenhormons.
  • Entsteht, wenn der Körper das Hormon T4 nicht in das aktiv wirksame T3 umwandeln kann.
  • Kommt vor allem bei Stress, Entzündungen, Leberbelastung oder Nährstoffmangel (z. B. Selen, Eisen, Zink) vermehrt vor.
  • Der Körper schaltet dann bewusst auf „Energiesparmodus“, um sich zu schützen.
  • Ein erhöhter rT3-Wert kann zeigen, dass der Stoffwechsel gebremst ist – selbst wenn TSH, T3 und T4 noch im Normbereich liegen.
  • Hilft zu verstehen, warum sich jemand müde, erschöpft oder „ausgebremst“ fühlt, obwohl die Standardwerte unauffällig sind.

Antikörper (TPO-AK, TG-AK, TR-AK)

  • Werden im Blut gemessen, um mögliche Autoimmunreaktionen zu erkennen.
  • Sie zeigen, ob das Immunsystem gegen die Schilddrüse aktiv ist.
  • TPO-AK und TG-AK: typisch bei Hashimoto-Thyreoiditis (führt langfristig zu einer Unterfunktion).
  • TR-AK: typisch bei Morbus Basedow (kann eine Überfunktion auslösen).
  • Wichtig: Antikörper allein bedeuten noch keine Erkrankung – sie sind Hinweise auf eine Immunaktivität, die beobachtet werden sollte.

Jod und Selen

  • Jod ist der Baustein der Schilddrüsenhormone (T3 = 3 Jod-Atome, T4 = 4 Jod-Atome).
  • Zu wenig Jod: Die Schilddrüse kann nicht genug Hormone bilden → mögliche Unterfunktion.
  • Zu viel Jod: Kann die Schilddrüse überreizen oder Autoimmunprozesse verstärken.
  • Selen ist wichtig für die Umwandlung von T4 in das aktive T3.
  • Ohne Selen kann T4 im Körper „ungenutzt“ bleiben → Energiedefizit, Müdigkeit.
  • Außerdem wirkt Selen antioxidativ und unterstützt das Immunsystem.

Eisen und Zink

  • Beide sind essenziell für die Bildung der Schilddrüsenhormone.
  • Eisen unterstützt die Aktivität des Enzyms, das Jod in die Hormonbildung einschleust.
  • Zink ist wichtig für die Hormonrezeptoren – damit T3 in den Zellen wirken kann.
  • Ein Mangel kann die Hormonproduktion bremsen und Symptome wie Müdigkeit, Haarausfall oder Konzentrationsprobleme verstärken.
  • Auch Laborwerte können durch einen Mangel verfälscht oder schwer interpretierbar werden.

Vitamin D & B-Vitamine

  • Vitamin D reguliert Immunprozesse und wirkt entzündungshemmend.
  • Es spielt eine Rolle bei Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto.
  • B-Vitamine (v. a. B2, B6, B12, Folat) sind wichtig für den Energie- und Zellstoffwechsel.
  • Ein Mangel kann zu Müdigkeit, Stimmungstiefs und Nervenreizbarkeit beitragen.
  • Beide Vitamin-Gruppen unterstützen indirekt auch die Schilddrüsenfunktion und das allgemeine Wohlbefinden.

Leber- und Darmfunktion

  • Etwa 20 % der Umwandlung von T4 zu aktivem T3 passiert im Darm.
  • Eine gesunde Darmflora (Mikrobiom) ist daher wichtig für die Schilddrüsenaktivität.
  • Die Leber übernimmt den größten Anteil der Hormonumwandlung – sie wandelt T4 in T3 oder rT3 um.
  • Belastungen durch Medikamente, Umweltgifte oder unzureichende Ernährung können diese Funktion beeinträchtigen.
  • Eine gestörte Leber- oder Darmfunktion kann so zu Symptomen beitragen, auch wenn die Schilddrüse selbst gesund ist.

Kosten/Erstattung

Die klassischen Schilddrüsenwerte (TSH, fT3, fT4) sowie ein Ultraschall werden in der Regel von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen, sofern ein konkreter Verdacht oder eine bekannte Schilddrüsenerkrankung besteht.

Erweiterte Laboruntersuchungen – etwa auf Antikörper, Mikronährstoffe, Reverse T3 oder Spurenelemente – gehören dagegen meist zur sogenannten individuellen Gesundheitsleistung (IGeL) und müssen häufig selbst bezahlt werden.

Viele Patient:innen entscheiden sich für eine erweiterte Diagnostik, wenn sie trotz unauffälliger Standardwerte Beschwerden haben und ein genaueres Bild ihrer Stoffwechsellage wünschen.

Wichtig:
Die Auswahl der Parameter sollte immer individuell und sinnvoll erfolgen – in Absprache mit Arzt oder Therapeut –, damit die Ergebnisse richtig eingeordnet werden können und keine unnötigen Kosten entstehen.

Ultraschall, Szintigrafie & Feinnadelbiopsie

Neben dem Labor sind bildgebende Verfahren zentral:

  • Ultraschall: zeigt Struktur, Größe, Entzündungszeichen, Zysten oder Knoten.
  • Szintigrafie: unterscheidet „heiße“ (aktive) von „kalten“ (inaktiven) Knoten.
  • Feinnadelbiopsie: nur bei unklaren oder suspekten Knoten notwendig, um Zellen zu beurteilen.

Auch hier gilt: Nicht jeder Knoten ist gefährlich – die meisten sind gutartig und hormoninaktiv.

Ganzheitlich denken – die Schilddrüse als Teil eines Netzwerks

Die Schilddrüse steht in enger Verbindung mit:

  • Hypophyse & Hypothalamus (Steuerungshormone)
  • Nebennieren (Cortisol und Stressregulation)
  • Leber & Darm (Hormonumwandlung)
  • Immunsystem & Entzündungsstatus

Wenn eines dieser Systeme überlastet ist, kann das ganze Netzwerk aus dem Gleichgewicht geraten.

Fazit

Schilddrüsendiagnostik ist weit mehr als ein einzelner Laborwert.
Ein normales TSH bedeutet nicht automatisch, dass die Schilddrüse optimal arbeitet.
Erst das Gesamtbild aus Labor, ggf. Ultraschall, Symptomen und Lebenssituation zeigt, was wirklich los ist.

Die gute Nachricht:
Je besser wir das System verstehen, desto gezielter können wir unterstützen – mit schulmedizinischer Präzision und funktioneller Weitsicht.
Und je früher ein Ungleichgewicht auffällt, desto leichter lässt sich gegensteuern, bevor zu viel aus dem Gleichgewicht gerät.

Unser Körper sendet oft erst leise Signale, die immer lauter werden, noch bevor Laborwerte aus der Reihe tanzen.
Besonders wichtig: auf das eigene Gefühl hören und Vertrauen.

Über die Autorin

Alexandra Buchmann ist Heilpraktikerin und spezialisiert auf funktionelle Medizin und Osteopathie. In ihrer Praxis in Wentorf begleitet sie Menschen auf ihrem Weg zu mehr Gesundheit und Lebensqualität.

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